Freitag, 2. Dezember 2011

Das Leben am anderen Ende der Welt

Mittlerweile sind 10 Wochen vergangen, dass ich in Argentinien angekommen bin. Die Zeit rast hier so schnell, dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie lange ich doch schon nichts mehr geschrieben habe. Dafür wird dieser Blogeintrag umso länger und ab jetzt bekommt ihr auch mehr Fotos zu sehen =).
In den letzten Wochen ist hier so einiges passiert. Zum einen schöne und zum andere auch ein paar unschöne Dinge.
Dadurch, dass unsere Hunde in einer Nacht eine Art Igel gejagt haben, der bei Gefahr die Stacheln abwirft, haben wir jetzt nur noch 2 Hunde, die auf uns aufpassen. Auf dem Weg abends ins Bett sehe ich nur unserer Hündin, wie sie mich hilfesuchend durch unser Terrassenfenster anguckt und ihren kompletten Kopf mit Stacheln voll hängen hat. Selbst im Auge und in der Nase sind die Stacheln, die mindestens 3 cm groß waren und aussahen, wie die eines großen Kaktusses, stecken geblieben.  Dadurch, dass es schon sehr spät abends war, wurden die Stacheln am nächsten Tag erst entfernt. Bei einem der Hunde wurde einer der Stacheln vergessen, sodass sich das komplette Gesicht entzündet hat und er letztendlich eingeschläfert werden musste, da der Tierarzt die Sache harmloser eingeschätzt hat, als sie war.

Meine Arbeit in Santa Marta gefällt mir wirklich sehr gut und die Verständigung klappt auch immer besser. In den letzten Wochen sind allerdings zwei Senioren gestorben und bei zwei anderen sieht es im Moment nicht gut aus. Eine dieser Personen ist mir sehr ans Herz gewachsen, denn mit ihr hatte ich am Anfang, als meine Verständigungsprobleme noch ein bisschen größer waren, am meisten Kontakt, da sie fließend deutsch sprechen kann. Dadurch, dass sie Probleme mit ihrer Hüfte hatte, musste sie vor kurzem daran operiert werden. Doch da es nicht mehr richtig verheilt und sich die Knochen wieder verschoben haben, kann sie nur noch im Bett liegen bleiben. Normalerweise hätte sie auch noch länger im Krankenhaus bleiben müssen, aber da sich dort nicht richtig um sie gekümmert wurde und sie aufgrund des langen Liegens eine sehr große Wunde hatte, die nicht behandelt wurde, hat ihre Familie beschlossen, sie zurück nach Santa Marta zu bringen. Jeden Tag besuche ich sie an ihrem Bett und erzähle ihr etwas, aber irgendwie ist ihr alles so gleichgültig und man sieht, dass sie sehr stark leidet. Sie liest gerne und hat sonst auch sehr gerne Schach gespielt, aber mittlerweile hat sie einfach nicht mehr die Kraft dazu. Ees ist schon ein komisches Gefühl einen Menschen so zu sehen.

Eines der schönen Dinge ist, dass ich seit Anfang November angefangen habe zweimal in der Woche Latino zu tanzen. Obwohl ich mir darunter ein bisschen was anderes vorgestellt habe, macht es mir sehr viel Spass und es ist eine gute Abwechslung zu meiner Arbeit.  Zuerst dachte ich, dass es mehrere Paartänze sind, die wir dort lernen, aber es ist eher so eine Art lateinamerikanisches Aerobic. Leider muss ich diesen Monat aussetzen, weil ich sonst nach dem Tanzen mit Katharina immer nach Hause laufe, da die Busse nicht so lange fahren. Da sie aber diesen Monat nach Rosario fährt, mache ich erst im Januar damit weiter, denn alleine sollte ich den Weg besser nicht gehen, da er unbeleuchtet ist und es mit das erste war, was uns am Anfang gesagt wurde, dass wir bloß nicht allein im Dunkeln draußen herum laufen sollen, da es hier doch ein paar verrückte Leute gibt.

Bis jetzt wurden wir schon dreimal zum Asado essen eingeladen. Das Asado ist eine große Grillmahlzeit und sehr typisch für Argentinien. Beim Asado gibt es alle Sorten an Fleisch, die man sich nur vorstellen kann (sogar Schweinehaut) und als Beilage gibt es dann meist die verschiedenste Salate sowie Maniok (eine weiße Wurzel) oder Sopa Paraguaya (eine Art salziger Maiskuchen). Zudem gibt es meist auch noch einen Nachtisch, wie zum Beispiel Eis oder Lemon Pie, der hier sehr oft gegessen wird.. Oft ist es sehr sehr schwierig aufzuhören, weil es einfach so lecker ist und man alle Sachen probieren möchte, weil es viele dieser Sachen so in Deutschland gar nicht gibt und zudem gibt es beim Asado so viel zu Essen, dass es locker noch für eine 5-köpfige Familen reichen würde.
Vor kurzem hatte ein Lehrer, der in der Schule arbeitet, in der Katharina ihren Frewilligendienst macht, die Idee ein Asado bei uns im Garten zu veranstalten und wir hatten auch schon so gut wie zugesagt. Nach ein paar Tagen stellte sich aber heraus, dass dieser Lehrer, aufgrund von Drogenmissbrauch und Vergewaltigung seines eigenen Sohnes, seit kurzem in Gefängnis sitzt. Wir waren richtig schockiert, obwohl wir schon desöfteren gehört haben, dass es hier in den Familien keine Seltenheit ist, dass die Kinder von einem Elternteil vergewaltigt werden. Trotzdem war es doch etwas anderes, weil man mit dieser Person im näheren Kontakt war.
Eine andere Sache, die mich auch sehr schockiert hat, ist, als ich vorgestern den kleinen Jungen gesehen habe, der im Heim für unterernährte Kinder neben Santa Marta untergebracht ist. Es war sehr heiß und der Kleine ist nur mit Windel durch den Garten gelaufen. Auf seinem kompletten Oberkörper waren ganz viele rote kleine Streifen und zunächst dachte ich, dass er so etwas wie eine Allergie hätte, aber später wurde mir erzählt, dass er von seiner Mutter mit einem Gürtel geschlagen wurde. Deshalb wird er jetzt von seiner Mutter weggenommen und lebt bald in einem Kinderheim. Aber komischer Weise bleibt seine 2 Jahre ältere Schwester bei der Mutter. Ich hoffe sehr, dass ich noch mehr darüber erfahren werde, wie es mit seiner Schwester und natürlich auch mit ihm  weitergeht, da ich auch sehr viel Kontakt mit diesen Kindern hatte. Aber leider wird bald das Heim für die unterernährten Kinder geschlossen, da das Geld nicht mehr reicht. Dadurch wird es sehr schwer sein, mehr darüber zu erfahren, wie es den Kindern weiterhin gehen wird.
Je länger man hier ist, desto mehr bekommt man diese schlimmen Sachen, die in den Familien vor sich gehen, mit und ich hätte am Anfang nicht vermutet, dass es wirklich so häufig vorkommt, wie uns unsere Betreuerin erzählt hat, weil man es sich einfach nicht vorstellen konnte.

Mittlerweile beginnt hier, wie vermutlich auch in Deutschland, die Vorweihnachtszeit. Die Geschäfte und Gemüsestände werden mit Lichterketten und anderem Weihnachtsschmuck dekoriert und auf meiner Arbeit werden auch schon ein paar Weihnachtslieder gesungen. Doch irgendwie komme ich hier gar nicht richtig in Weihnachtsstimmung, da ich Weihnachten immer mit Kälte und Schnee verbinde. Hier fängt so langsam der Sommer an und an manchen Tagen haben wir schon bis zu 35 Grad. Es ist ein sehr komisches Gefühl, wenn man sich vorstellt, wie es jetzt in Deutschland wäre. Vermutlich würde man vor einem warmen Ofen sitzen, anfangen Plätzchen zu backen, ganz viel Tee trinken und mit Freunden auf den Weihnachtsmarkt gehen. Hier gibt es weder Weihnachtsmärkte, noch werden Plätzchen selbst gebacken.Gerade deswegen werde ich dieses Jahr auf jeden Fall Kekse backen, damit ich sie als Weihnachtsgeschenk in Santa Marta, an Freunde und Bekannte verteilen kann =).
Wie ich dieses Jahr Weihnachten feiern werde, steht noch nicht genau fest. Entweder werden wir deutschen Mädels zusammen bei uns im Haus feiern oder zusammen mit der Familie unserer Betreuerin feiern. Das, was bis jetzt geplant  ist, ist, dass ich zusammen mit ein paar anderen über Silvester nach Brasilien fahre und dort am Strand in das neue Jahr starten werde =). Davon werde ich euch auf jeden Fall mehr erzählen, wenn ich wieder in Eldorado bin.
Ich wünsche euch allen auf jeden Fall eine schöne Vorweihnachtszeit und ich hoffe, dass ich mich bald wieder melden kann.
Hasta luego!